Verständnis - Vertrauen - Verbindung Teil 2: Vertrauen

Verständnis – Vertrauen – Verbindung

 

Diese drei Worte sind für mich die Grundlage einer Beziehung. Ähnlich wie die drei Beine eines Hockers, auf dessen Sitzfläche man sich voller Zuversicht niederlassen kann. Dabei habe ich im Laufe der Jahre festgestellt, dass es völlig unerheblich ist, ob die Beziehung innerhalb einer Spezies oder Spezies übergreifend existiert.

 

 

Vertrauen ist ein subjektives Gefühl einer Person gegenüber, dass diese einem nicht schadet oder dass vielleicht sogar etwas Positives für ein Selbst aus der Verbindung mit der Person erwächst.

 

Um jemandem vertrauen zu können, muss man wissen, mit wem man es zu tun hat. Man muss sein Gegenüber einschätzen können, Handlungsweisen aus erlebten alltäglichen Situationen herleiten können und positiv oder zumindest neutral bewerten. Die Basis für Vertrauen ist meiner Meinung nach Verständnis. Kann ich mein Gegenüber lesen, verstehen und habe ich positive Erfahrungen mit ihm gemacht und sogar Vorteile für mich selbst aus der Beziehung zu ihm gezogen, dann vertraue ich darauf, dass dies auch in Zukunft so sein kann und wird. Ich vertraue der anderen Person. Wie tief das Vertrauen geht, kann nur die gemeinsam erlebte Geschichte ergeben.

 

Was bedeutet das für mich als Lehrerin und Trainerin? Hier möchte ich auf ein Beispiel aus meiner eigenen Tierfamilie zurückgreifen. Mein erstes eigenes Pony, ein Tinker namens Skandur, kam ohne wirklich gute Menschenerfahrungen, roh und traumatisiert zu mir. Er hatte lebensbedrohliche Erfahrungen auf dem Transport von Irland nach Deutschland gemacht, wenige Erfahrungen mit Menschen erlebt und diese waren zudem sehr negativ behaftet. Innerhalb kürzester Zeit hat er seine vertrauten Lebensumstände verlassen müssen, hat um sein Leben gefürchtet und den qualvollen Tod von Leidensgenossen auf dem Transport direkt miterlebt. Und dann kommt er in ein neues Zuhause, soll sich auf neue Mitbewohner, neue Lebensregeln, neues Futter, neue Anforderungen an seinen Körper und sein Selbst einstellen. Auf Grund seiner Erlebnisse und Erfahrungen war dieses Pferd verständlicher Weise den neuen Menschen gegenüber zurückhaltend bis abweisend. Mein Verständnis seiner Lebenssituation hat meine Herangehensweise an unser Kennenlernen und das spätere Reittraining bestimmt. Nähe zulassen, berührt werden, Gemeinsamkeit ohne Anforderungen waren unsere ersten Schritte. Dazu war es wichtig, dass Skandur mich einschätzte, dass ich zuverlässig lesbar und in meinen Handlungen für ihn voraussehbar und verständlich war. Aus meinem Verstehen seiner Person und seiner dazu entstand mein Sein mit ihm und dadurch sein Verstehen meiner Person. Aus unserem gegenseitigen Verstehen entstand mit der Zeit gegenseitiges Vertrauen. Das Vertrauen ging so weit, dass ich ihn nur mit Halfter und in freier Natur eingeritten habe. Langsam und Schritt für Schritt haben wir gemeinsam das erste „Auf-dem-Pferd-sitzen“ erschaffen. Skandur als traumatisiertes Beutetier hat es vertrauensvoll zugelassen, dass ich auf seinem Rücken an der Stelle sitzen durfte, wo der Beutegreifer ansetzen würde um sein Opfer zu erlegen.

 

Ein wichtiger Aspekt von Vertrauen ist für mich das Selbstvertrauen , das Zutrauen zu sich selbst, das Vertrauen in die eigene Person, mit Situationen und Anforderungen so umzugehen, dass sie einem keinen Schaden zufügt, man sie meistert und am besten noch zu seinem Wohl und Nutzen kommt bewältigt. Bitte nicht verwechseln mit Egoismus und Selbstsucht.

 

Für meine tierischen und menschlichen Schülerinnen und Schüler wünsche ich mir Vertrauen in meine Person und zu sich selbst. Das für mich bestmögliche Ergebnis ist daher, wenn das Tier oder der Mensch so viel Selbstkompetenz entwickelt, dass das Vertrauen in sich selbst zu optimalen Lösungen in den Anforderungssituationen führt. Sollte das noch nicht ganz klappen, ist mein Ausbildungsziel, dass so viel Vertrauen in meine Person vorhanden ist, dass das Nachfragen bei mir selbstverständlich, natürlich und vertrauensvoll erfolgt. Das ist für mich ein Anzeichen für eine tiefgehende Verbindung, die belastbar und von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen geprägt und getragen wird.

 

Ein schönes Beispiel ist hierfür das Kennenlernen von Objekten. Es ist dabei unerheblich, um welche Spezies es sich handelt. Ich nehme hier wieder Skandur als Beispiel. Aus seiner Lebenswelt vor meiner Zeit hatte er keinen Bezug zu gelben Säcken am Straßenrand. Aus seinen historischen Erfahrungen her begründete er diese unbekannten, von ihrem Verhalten her bei ihm Angst auslösenden Objekte - rascheln, im Wind bewegen, seltsam riechen - als lebensbedrohlich und die einzig sinnvolle Reaktion war daher für ihn, die Flucht zu wählen. Was tun, wenn man am anderen Ende des Halfterstricks steht und energiegeladene 560 kg das Weite sucht? Klar, ich hätte mein Equipment aufrüsten können. Hengstkette, scharfes Gebiss, zusammengeschnürtes Pferd und und und. Es gibt unzählige Möglichkeiten, meine Position zu stärken. Einschränkung der Wahrnehmung des Pferdes, Herabsetzung seiner Kraftentfaltung, mehr Angst vor mir als vor allem um uns herum. Dies sind Möglichkeiten, aber nicht für mich, nicht für jemanden, der eine Partnerschaft anstrebt und keinen absoluten Gehorsam, nicht für jemanden, der die Persönlichkeit seines Gegenübers stärken, wachsen und leuchten sehen möchte. Also habe ich die nächste Begegnung mit dem gelben Sack vorbereitet, damit Skandur positive Erfahrungen und Selbstzutrauen entwickeln konnte. Wir haben frei und in einem geschützten Raum trainiert. Er konnte für sich selbst Strategien entwickeln, wie er mit dem gelben Sack und seiner Angst umgeht. Er konnte erkennen, dass Weglaufen möglich, aber nicht nötig ist. Er konnte sich an meinem Verhalten dem Angstobjekt gegenüber orientieren und feststellen, dass ich diesen Teil nicht fürchte und dass man auch Spaß mit dem gelben Sack haben kann. Skandur konnte sein Verhalten ändern, hat sein Reaktionsrepertoir erweitert und durch das exemplarische Lernen mit dem gelben Sack auch in anderen Situationen adäquat reagieren können.

 

Zwei Punkte möchte ich an diesem Beispiel ganz besonders hervorheben: Zum einen ist es der Zuwachs an Vertrauen in mich als Bezugsperson und die Bereitschaft, sich an mir zu orientieren. Das Pferd fragt bei mir nach, statt das Heil in der Flucht zu suchen. Es vertraut mir, dass tatsächlich keine Gefahr besteht oder dass ich uns beschützen und die Lage meistern kann. Zum anderen ist es der Gewinn seiner Selbstkompetenz , das Wachsen und Zutrauen zu den eigenen Fähigkeiten , mit einer zunächst bedrohlich erscheinenden Situation umgehen zu können, nicht ausgeliefert zu sein. Flut ist zwar eine sinnvolle Reaktion aus Sicht des Tieres, aber in der Menschenwelt oft mit unbekannten Gefahren und erheblichen Risiken behaftet. Selbstvertrauen und Mut sind in der Menschenwelt für das Tier einen Gewinn an Lebensqualität und Sicherheit.

 

Jetzt bleibt noch die Frage, in wie weit vertraut der Mensch seinem Tier ?

 

Verständnis führt zu Vertrauen . Vertrauen führt zu Verbindung .

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